„Gut zu kommunizieren heißt, nicht nur einseitig Informationen zu versenden“

Beatrice Lugger

(© NaWik)

Beatrice Lugger leitet das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) in Heidelberg. Das Institut hat sich der Qualität in der Wissenschaftskommunikation verschrieben und macht Forschende fit für deren Kommunikation mit Öffentlichkeit und Medien. Als Mitglied im „Open Humboldt Expert:innenkreis“ unterstützt Beatrice Lugger das Ziel der Initiative Open Humboldt, den Austausch zwischen Universität und Gesellschaft zu fördern, um gemeinsam die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzugehen.

Frau Lugger, Sie bringen Forschenden bei, wie diese Ihre Arbeit auch Menschen erklären können, die kein Fachwissen besitzen. Was macht gute Wissenschaftskommunikation aus?

Sie kann dann gut gelingen, wenn man sich vorher überlegt hat, was das Ziel der Kommunikation ist, welche Zielgruppe man erreichen möchte, welche Sprache und welches Medium dafür geeignet sind und wenn man das Thema entsprechend aufbereitet. Gut zu kommunizieren heißt aber auch, nicht nur einseitig Informationen zu versenden. Aktives Zuhören, in einen Dialog zu gehen und dabei andere Meinungen gelten zu lassen und diese auch zu reflektieren – all dies sind Elemente guter Wissenschaftskommunikation. Dabei bewegen uns immer mehr von einseitiger Kommunikation in Richtung interaktiver Ansätze wie Dialoge, Citizen Science und Public Engagement. Und diese Entwicklung halte ich für absolut wichtig, denn dies ermöglicht mehr Reflexionsprozesse, wovon letztlich insbesondere auch die Forschung profitieren kann.

Wie ergänzen sich die klassische Wissenschaftskommunikation, die komplexes Wissen für eine breite Öffentlichkeit aufbereitet, und Wissensaustausch mit der Gesellschaft, der auf einen Diskurs zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit auf Augenhöhe setzt?

Es gibt auf jeden Fall Schnittmengen. Bei einem Citizen Science-Projekt etwa gehört Kommunikation mit den Bürgerforscher:innen genauso dazu, wie die Kommunikation über das Projekt. Für letzteres können Forschende Kontakte zu den Kommunikationsabteilungen ihrer Einrichtungen suchen und mit diesen gemeinsam die eigenen Projekte sichtbar machen.
Wenn sich Bürger:innen in Forschungsprojekte einbringen, entstehen durchaus auch intensive Diskurse. Bürger:innen können sehr kritisch gegenüber einem Forschungsansatz sein und den Sinn hinterfragen. Das ist manchmal durchaus auch anstrengend. Dieser Blick von außen hilft aber oft dabei, Dinge anders einzuordnen. Das kann den Fokus der jeweiligen Forschung ergänzen und verlagern.

Kann gute Wissenschaftskommunikation den Austausch zwischen Forschenden und der breiten Öffentlichkeit fördern?

Ja, das sollte sie tun (lacht). Einblicke in den Forschungsalltag schaffen Verständnis dafür, dass es nicht nur eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, sondern dass Forschung ein großes Herantasten ist und ein Ringen um Erkenntnis. Wenn wir ein Verständnis dafür erreichen, wie Wissenschaft funktioniert, ist das eine wichtige Grundlage für Vertrauen. In diesem Sinne ist es viel wichtiger, die Prozesse der Wissenschaft transparenter zu machen, als nur Erfolgsmeldungen zu generieren.

"Wer tief in einem Thema drinsteckt, hat enormes Detailwissen, wir sprechen hier vom Expert:innen-Dilemma. Es kann sehr hilfreich – auch für die eigene Arbeit – sein, einen Schritt zurückzutreten und das große Ganze in den Blick zu nehmen. Wenn man damit beginnt, hat man schon einen guten Weg gefunden."

Haben Forschende manchmal Berührungsängste mit Wissenschaftskommunikation?

Die gibt es durchaus. Der Klassiker ist immer noch: „Was sagen meine Kolleg:innen, wenn ich meine Forschung so verkürzt und vereinfacht darstelle?“ Es ist die Angst vor dem Reputationsverlust. Aber in diesem Fall kommuniziert man eben nicht für die Fachleute, sondern für die Öffentlichkeit. Das muss man betonen.
Außerdem ist Wissenschaftskommunikation natürlich auch zeitaufwendig. Deshalb brauchen wir gute Anerkennungs- und Reputationsmechanismen und auch mehr Wertschätzung für Forschende, die sich dafür engagieren. Dieses Engagement spielt etwa in Berufungsverfahren häufig noch kaum eine Rolle. In anderen Ländern ist hier schon mehr in Bewegung. Dabei ist dieses Engagement von Forschenden so wichtig, wenn sie sich in vielfältige Dialogformate zu gegenwärtig anstehenden Transformationsprozessen mit ihren Erkenntnissen einbringen.

Wie hat sich Ihre Arbeit als Wissenschaftskommunikatorin in den vergangenen Jahren verändert?

An unserem Institut sehen wir den Wandel darin, welche Seminare nachgefragt werden. Aktuell gibt es einen großen Bedarf nach Orientierung im Bereich Social Media. Vermutlich, weil diese Kanäle permanent im Umbruch sind. Es ist eine richtige Großbaustelle, auf der sich ständig etwas verändert. Allgemein haben wir heute eine große Vielfalt an Formaten der Wissenschaftskommunikation – von der Adults-only Science Night, bei der im Museum bei Cocktails gefeiert wird, bis zum World Café, wo Menschen an unterschiedlichen Tischen zu verschiedenen Themen ins Gespräch kommen, gibt es längst weit über einhundert unterschiedliche Möglichkeiten, Wissenschaft zu kommunizieren und zu erleben.

Leider beschäftigt uns und die Forschenden heute auch das Thema Wissenschaftsfeindlichkeit. Wer sich zu besonders exponierten, gesellschaftspolitisch relevanten Themen wie Klimawandel, Migration oder den Umgang mit der Corona-Pandemie positioniert, ist da besonders im Fokus. Daraus ist auch eine neue Anforderung für die Kommunikationsabteilungen der Häuser entstanden, sich schützend vor ihre Forschenden zu stellen.
Mittlerweile gibt es mit Scicomm-Support eine Beratungsstelle für Forschende, die unsachlich angegriffen werden. Hier bekommen Betroffene auch juristischen Beistand oder werden psychologisch beraten. Dieses Thema greifen wir längst auch in unseren Seminaren auf, etwa um den Umgang mit Hate Speech im Netz zu trainieren.

Was raten Sie Wissenschaftler:innen, die ihr Forschungsthema für zu kompliziert halten, um es fachfremden Personen zu vermitteln?

Im Laufe eines Seminars bekommen wir das hin. Man kann jede Forschung erklären. Wer tief in einem Thema drinsteckt, hat enormes Detailwissen, wir sprechen hier vom Expert:innen-Dilemma. Es kann sehr hilfreich – auch für die eigene Arbeit – sein, einen Schritt zurückzutreten und das große Ganze in den Blick zu nehmen. Wenn man damit beginnt, hat man schon einen guten Weg gefunden. Mein Rat ist, von da an sich wieder mehr dem eigenen Thema mit der Brille der Rezipient:innen zu nähern. Was interessiert diese? Was ist erzählenswert? Am Ende des Tages sagen gerade die Kandidat:innen mit vermeintlich nicht erklärbarer Forschung häufig so etwas wie: „Cool, jetzt kann ich meiner Oma endlich mal erklären, was ich mache.“

Das Förderformat Open Humboldt Freiräume der Humboldt-Uni spricht gezielt Forschende an, die Formate zum Dialog mit der Gesellschaft entwickeln und umsetzen wollen und dafür von der Lehre freigestellt werden. Was kann dieses Format leisten?

Für Forschende ist gerade der Faktor Zeit äußerst entscheidend. Wer von der Lehre freigestellt wird, erhält damit im wahrsten Wortsinn „Freiräume“, um sich zu engagieren. Ich bin sicher, dass viel davon auch nachhaltig wirkt und über den Förderzeitraum von sechs Monaten hinausgeht. Die daraus entstehenden neuen Netzwerke und Kooperationen bereichern die eigene Forschung dauerhaft. Nicht zuletzt gibt es durchaus auch wissenschaftliche Karrieren, die dank eines engagierten Dialogs mit der Gesellschaft beflügelt wurden.

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